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Deutsche Myasthenie Gesellschaft e.V.
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Myasthenia Gravis Syndrom

Bei Myasthenia gravis (Myasthenie, MG) handelt es sich um eine sogenannte belastungsabhängige Muskelschwäche. Das bedeutet, dass sich die Muskulatur bei körperlicher Anstrengung, emotionaler Belastung, Stress oder im Tagesverlauf schneller ermüdet als bei Gesunden.

Myasthenia gravis ist eine Autoimmun-erkrankung. Bei diesen Krankheiten ist Abwehrsystem des Körpers (Immunsystem) falsch programmiert. Normalerweise dient es der Abwehr von Krankheitserregern. Bei Myasthenie erkennt es fälschlicherweise körpereigene Strukturen als fremd. Deshalb produziert es Abwehrstoffe, sogenannte Antikörper, gegen diese Strukturen.

Der Ort des Geschehens bei Myasthenie ist die Übergangsstelle zwischen Nerv und Muskel. Schickt das Gehirn ein Signal für die Anspannung eines Muskels los, wird dieses über einen Nerv, ähnlich wie durch ein Kabel, als elektrisches Signal weitergeleitet. So gelangt es bis ans Ende des Nervs. Zwischen ihm und dem Muskel gibt es einen mikroskopisch keinen Spalt. Dort wird das Signal nicht mehr elektrisch, sondern mittels eines chemischen Botenstoffs (Acetylcholin) übertragen. Nach seiner Ausschüttung auf der Seite des Nervs schwimmt der Botenstoff in dem Spalt umher (siehe Abbildung). Seine Bewegungen hängen nur vom Zufall ab. Schließlich erreicht er die Muskelzelle. Auf dieser befinden sich seine Andockstellen (Acetylcholin-Rezeptoren; AChR).

Beim Gesunden docken die ausgeschütteten Botenstoffe an ihren Andockstellen am Muskel an und melden dem Muskel so, dass er sich anspannen soll. Bei Myasthenie-Betroffenen schwimmen zusätzlich zum Botenstoff Antikörper im Spalt. Sie verhindern das Andocken der Botenstoffe. Dadurch wird das Signal der Nerven nicht oder nur unvollständig zum Muskel weitergeleitet. Dies führt dazu, dass die Kraft der Bewegung vermindert ist – also zu der typischen Muskelschwäche.

Die Entstehung der Autoimmunerkrankung ist bis heute unklar.  

Welche Symptome können bei einer Myasthenie auftreten?

Bei mehr als der Hälfte der Patienten beginnt die Myasthenie an den Augen (okuläre Myasthenie). Typische Symptome sind anfängliche Sehstörungen, z. B. durch Doppelbilder und eine Müdigkeit der Oberlider, sodass die Augen ungleich weit offen sind. Nur selten bleibt die Schwäche auf eine Muskelgruppe beschränkt. Sie kann die Muskulatur des gesamten Bewegungsapparates, sowie die Sprech-, Kau- und Schluck- und/oder Atemmuskulatur betreffen (generalisierte Myasthenie). Betroffene klagen z. B. über ein Schweregefühl des Kopfes, über Atemnot bei Belastung oder eine zunehmende Schwäche beim Treppensteigen.  

Die Schwäche wird bei körperlicher Anstrengung stärker und bessert sich durch Pausen wieder. Sie kann im Tagesverlauf zunehmen und auch innerhalb von Stunden, Tagen und Wochen unterschiedlich sein. Verlauf und Schweregrad sind bei den Patienten individuell sehr unterschiedlich. Die Symptome sind nie kontinuierlich, sodass Betroffene an manchen Tagen kaum Beeinträchtigungen und an anderen wieder starke Einschränkungen verspüren.  

Durch Infektionen, seelische Belastungen, Schlafmangel oder auch durch ungeeignete Zusatzmedikationen verstärkt sich die Symptomatik.  

Beginn und Häufigkeit

Der genaue Beginn und Auslöser der Myasthenie bleiben oft unklar. Menschen jeden Alters und Geschlechts können erkranken. Dabei liegt ein erster Häufigkeitsgipfel zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr und ein zweiter zwischen dem 60. und 75. Lebensjahr. Frauen dominieren in der jüngeren Altersgruppe, Männer in der älteren. Selten tritt die Erkrankung bereits im Kindes- und Jugendalter auf.  

Die Myasthenie ist eine seltene Erkrankung. Man schätzt die Häufigkeit auf 100 – 200 pro 1 Mio. Einwohner.  

Myasthenie ist nicht ansteckend. Eine ausgesprochene Erblichkeit besteht nicht, und eine Vererbung ist gering. Sehr selten gibt es eine familiäre Häufung  

Diagnosesicherung
Zur Sicherung der Erkrankung stehen dem Arzt verschiedene klinische und laborchemische Tests zur Verfügung.

Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung:

  • Doppelbilder? Prüfung von Augenmotilität und Lidspaltenweite
  • Kau- und Schluckbeschwerden?
  • Zunahme der Beschwerden im Tagesverlauf durch muskuläre Belastungen?
  • Schwäche proximaler (rumpfnaher) Muskelgruppen

      Zusatzuntersuchungen, ergänzend zur körperlichen Untersuchung:

  • Ice-Pack-Test (deutsch: Eisbeutel-Test)
  • Vitalkapazität – schwacher Atem- oder Hustenstoß?
  • Bestimmung der bei Myasthenie bekannten Antikörper (AChR-Ak, MuSK-Ak, LRP4-Ak, ggf. Titin-Ak)
  • pharmakologische Testung (z. B. oraler  Pyridostigmin-Test, positiver Edrophonium-Test)
  • elektrophysiologie: Serienstimulation, in Einzelfällen auch Einzelfaser – EMG
  • Nachweis des Acetylcholin-Rezeptor-Autaontikörpers (Anti-AChR-Ak)
  • Bildgebung: Thorax – CT, MRT des Brustkorbs

Verlauf und Heilungsaussichten

Eine generelle Prognose ist nicht möglich, da sich bei jedem Betroffenen die Symptome unterschiedlich stark, an unterschiedlichen Stellen und in unterschiedlichen Verläufen zeigen. Heilbar ist die chronische Erkrankung bisher nicht.  

Unter Ausnutzung aller Behandlungsoptionen ist es das Ziel, Patienten ein weitgehend normales Alltagsleben mit nur geringen Einschränkungen zu ermöglichen. Bei den meisten Betroffenen bessern sich die Beschwerden nach dem Beginn einer Therapie, was jedoch einige Monate dauernkann. Eine vollständige Kräftigung ist meist nicht zu erreichen und gewisse Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit müssen toleriert werden. Jeder Betroffene muss seine eigene Belastungsgrenze selbst herausfinden und danach leben.  

Die Aufklärung und Mitwirkung der Patienten spielen eine wesentliche Rolle bei der meist lebenslangen Behandlung.  

Therapieplanung- und Therapiemöglichkeiten


Es gibt verschiedene Medikamente, die den Verlauf einer Myasthenie verbessern können. Welches Medikament oder welche Kombination von Medikamenten im Einzelfall die richtige ist, hängt von

vielen Faktoren ab. Grundsätzlich soll Patienten mit diagnostizierter Myasthenie eine symptomatische Therapie (Behandlung der Beschwerden) angeboten werden. Zusätzlich dazu sollte eine Immuntherapie (Behandlung der Ursache, verlaufsmodifizierende) den Verlauf der Erkrankung verbessern. Die Immuntherapie wirkt regulierend auf das Immunsystem regulierend und schwächt

damit die fehlgeleitete Immunreaktion ab.

Der in Deutschland am häufigsten eingesetzte Wirkstoff zur Behandlung der Beschwerden ist Pyridostigmin-Bromid (z.B. Kalymin®, Mestinon®). Diese Medikamente hemmen den Abbau des Überträgerstoffes Acetylcholin und die Nervenimpulse auf den Muskel werden verstärkt.
Näheres (Dosierung und Nebenwirkungen) siehe Leitfaden für Myasthenia gravis Patienten der DMG (zu erhalten über die Geschäftsstelle der Deutschen Myasthenie Gesellschaft in Bremen).

Um die Ursache der Myasthenie zu behandeln, muss die Produktion der krankmachenden Abwehrstoffe (Antikörper) gedrosselt werden. Dazu wird zu Medikamenten gegriffen, die das Abwehrsystem des Körpers (Immunsystem) dämpfen oder verändern. Zu Krankheitsbeginn wird dies häufig mit schnell wirksamen Kortison-Präparaten erreicht. Da die langfristige Einnahme von Kortison in hoher Dosierung auf Dauer nicht so gut für den Körper ist, werden zusätzlich sogenannte Immunsuppressiva eingesetzt. Diese dämpfen das Abwehrsystem über einen langen Zeitraum und ermöglichen so langfristig eine Verringerung der Kortison-Dosis. Ihr Nachteil ist, dass sie einige Monate benötigen, bis sie ihre volle Wirkung entfaltet haben. Häufig müssen die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nacheinander ausgetestet werden und eventuell auch miteinander kombiniert werden, um ein Optimum an therapeutischem Effekt zu erreichen.


Eine weitere Therapiemöglichkeit in der frühen Krankheitsphase ist die Thymektomie, d. h. die operative Entfernung der Thymusdrüse. Man weiß heute, dass die Thymusdrüse bei der Entwicklung der Krankheit eine große Rolle spielt. Der operative Eingriff muss individuell zwischen dem behandelnden Neurologen, dem Thoraxchirurgen und dem Patienten als Therapieverfahren besprochen werden. Zudem sollte über die verschiedenen Therapieverfahren (transthorakal/ minimalinvasiv) informiert werden. In der Regel macht sich der stabilisierende Effekt der Entfernung der Thymusdrüse erst nach 6 bis 12 Monaten bemerkbar.

In Ergänzung zur Behandlung mit Medikamenten können nicht-medikamentöse Behandlungen (Physiotherapie, Krankengymnastik) einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf haben.

Fazit
Die Therapieform sollte individuell auf den Betroffenen abgestimmt werden, um die Lebensqualität und auch die Berufsfähigkeit wieder herzustellen, bzw. langzeitig zu erhalten.
Jeder Betroffene hat seine „eigene, individuelle Myasthenie“, dies muss bei der Therapieplanung stets berücksichtigt und beachtet werden. Danach sollte sich die medizinische Therapie ausrichten. Eine enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient spielt hierbei eine große Rolle und ist wünschenswert.