Myasthenie-Patienten, die mit immunsuppressiven Medikamenten behandelt werden, haben ein erhöhtes Risiko, sich mit Infektionen anzustecken. Daher ist der Schutz vor Infektionskrankheiten, für die Impfstoffe verfügbar sind, besonders wichtig. Generell gelten für Myasthenie-Patienten die gleichen Impfempfehlungen wie für andere Personen mit erworbener Immundefizienz, wie sie von der STIKO (Ständige Impfkommission) ausgesprochen werden. Da jedoch die Impfquote bei immunsupprimierten Patienten oft zu niedrig ist – häufig aus Sorge um die Sicherheit und Wirksamkeit der Impfungen – möchten wir auf einige wesentliche Punkte hinweisen:
- Erhöhtes Infektionsrisiko: Patienten, die immunsuppressive Therapien erhalten, sind anfälliger für Infektionen.
- Schwere Krankheitsverläufe: Impfpräventable Erkrankungen können bei nicht-geimpften Myasthenie-Patienten zu höheren Morbiditäts- und Sterberaten führen.
- Reduzierung von Krisen: Impfungen können helfen, das Risiko von infektionsbedingten Krisen der Myasthenie gravis zu verringern.
- Keine Hinweise auf negative Auswirkungen: Es gibt derzeit keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Impfungen neue Fälle oder Verschlechterungen einer bestehenden Myasthenie gravis auslösen.
Empfehlungen zur Impfung
- Impfanamnese: Zu Beginn sollte eine umfassende Impfanamnese erstellt werden, um den Impfstatus, insbesondere bezüglich der Kindheitsimpfungen, zu klären. Zudem sollte der Impfschutz im häuslichen Umfeld berücksichtig werden, sowie Hygienemaßnahmen bei bestehenden Infektionen.
- Zeitpunkt der Impfungen: Alle empfohlenen STIKO-Impfungen sollten vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie abgeschlossen sein – idealerweise mindestens vier Wochen im Voraus. Dabei muss zwischen Lebend- und Totimpfstoffen unterschieden werden.
Lebendimpfstoffe
- Kontraindikation: Die Anwendung von Lebendimpfstoffen ist während einer immunsuppressiven Therapie nicht empfohlen. Diese Impfungen sollten mindestens vier Wochen vor Therapiebeginn abgeschlossen werden und dürfen in der Regel erst drei bis sechs Monate nach Therapieende wieder verabreicht werden.
Totimpfstoffe
- Sichere Anwendung: Totimpfstoffe sind gut verträglich und können auch während einer immunsuppressiven Therapie verabreicht werden. Es kann jedoch eine reduzierte Impfreaktion auftreten, weshalb Impfungen idealerweise während stabiler Krankheitsphasen durchgeführt werden sollten.
Empfohlene Indikationsimpfungen
- Erforderliche Impfungen: Zu den empfohlenen Impfungen zählen Influenza, Pneumokokken, Meningokokken sowie Varizella Zoster (Gürtelrose).
- Die Influenza-Impfung sollte idealerweise vier bis sechs Wochen vor Therapiebeginn erfolgen, die Pneumokokken-Impfung spätestens zwei Wochen vorher.
- COVID-19-Impfung: Aufgrund des erhöhten Risikos für schwere Verläufe wird eine Impfung gegen COVID-19 mit einem mRNA- oder Vektorimpfstoff empfohlen.
- Varizellen-Zoster-Virus: Vor Beginn einer Immunsuppression sollte der Immunschutz bezüglich Gürtelrose überprüft werden. Seronegativen Patienten wird eine Grundimmunisierung mit einem Lebendimpfstoff empfohlen, während seropositiven Personen eine Auffrischung mit einem Totimpfstoff nahegelegt wird.
- Meningokokkenimpfung: Besonders bei einer Therapie, die das Komplementsystem hemmt, ist eine Meningokokken-Impfung dringend erforderlich, da das Risiko für Meningokokken-Infektionen stark erhöht ist.
- Impfungen bei Rituximab-Therapie: Diese sollten mindestens einen Monat vor oder nach einer geplanten Gabe erfolgen.
Impfempfehlungen für Kinder und Jugendliche
- Zusätzliche Impfungen: Patienten unter 18 Jahren sollten zusätzlich gegen Haemophilus influenzae geimpft werden. Die HPV-Impfung wird ebenfalls empfohlen und gilt als sicher bei immunsuppressiven Patienten.
Auslandsreisen
- Reisemedizinische Beratung: Auch Myasthenie-Patienten sollten vor Auslandsreisen entsprechend den reisemedizinischen Empfehlungen beraten und geimpft werden.
Einen Überblick über die Impfempfehlungen zu den einzelnen Impfungen finden Sie in der Patientenleitlinie für myasthene Syndrome oder im Myasthenie-Qualitätshandbuch:
Die Diagnose und Behandlung von myasthenen Syndromen
Wir hoffen, dass diese Informationen Ihnen helfen, die Bedeutung von Impfungen bei Myasthenie zu verstehen und angemessene Entscheidungen für Ihre Gesundheit zu treffen. Bei Fragen oder Unsicherheiten stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.