Wenn körperliche, psychische oder geistige Einschränkungen zu einer Pflegebedürftigkeit führen, die voraussichtlich länger als 6 Monate besteht, haben Versicherte einer Kranken- und Pflegeversicherung Anspruch auf Unterstützung durch die Pflegekasse. Voraussetzung hierfür ist die Feststellung eines Pflegegrades. Die Beantragung kann telefonisch oder schriftlich bei der Pflegekasse erfolgen. Versicherte finden ein Antragsformular meist auf der Website ihrer Kranken- bzw. Pflegeversicherung.
Nach Eingang des Antrags erfolgt zeitnah eine Begutachtung durch einen Gutachter des Medizinischen Dienstes (MD). Oftmals werden im Vorfeld Unterlagen, wie bspw. Berichte des Hausarztes, Berichte von Fachärzten, Entlassungsberichte oder der Medikamentenplan angefordert. Die Anwesenheit einer der pflegenden Personen während der Begutachtung kann hilfreich sein. Der Gutachter ermittelt dann anhand eines detaillierten Fragenkatalogs den Pflegegrad und erstellt ein offizielles Gutachten, welches der antragstellenden Person zugestellt wird. Ist man mit dem Ergebnis nicht zufrieden, besteht das Recht auf einen Widerspruch.
Ermittlung des Pflegegrades:
Um die Einschränkungen pflegebedürftiger Personen zu ermitteln, betrachtet der Gutachter sechs Lebensbereiche (Module). Entscheidend sind hier die Selbstständigkeit und die Fähigkeiten eines Menschen.
- Mobilität
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
- Verhaltensweisen und psychische Belastung
- Selbstversorgung
- Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen
- Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
In jedem einzelnen Modul werden Punkte ermittelt, die mit unterschiedlicher Gewichtung in eine Gesamtbewertung einfließen. Der ermittelte Punktewert ergibt den Pflegegrad.
Außerhäusliche Aktivitäten sowie die Haushaltsführung werden ebenfalls bewertet, jedoch fließen die Angaben zu diesen beiden Bereichen nicht in die Berechnung mit ein.
Die einzelnen Pflegegrade:
Es gibt fünf unterschiedliche Pflegegrade, die sich hinsichtlich ihrer Leistungen unterscheiden. Je höher der Pflegegrad, desto umfangreicher fallen die Leistungen aus.
Pflegegrad 1:
12,5 bis unter 27 Punkte – geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
Pflegegrad 2:
27 bis unter 47,5 Punkte – erhebliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
Pflegegrad 3:
47,5 bis unter 70 Punkte – schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
Pflegegrad 4:
70 bis unter 90 Punkte – schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten Pflegegrad 5:
90 bis 100 Punkte – schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.
Um die eigene Pflegebedürftigkeit einzuschätzen, kann der Pflegegrad mit dem kostenlosen Pflegegradrechner der Verbraucherzentrale berechnet werden. Dieser ist jedoch nur für Erwachsene zulässig, bei Kindern gelten andere Voraussetzungen. Eine Selbsteinschätzung ersetzt keinesfalls die Bewertung eines sachkundigen Gutachters.
Leistungen:
Je nach Pflegegrad können unterschiedliche Leistungen beansprucht werden:
- Pflegegeld
- Pflegesachleistungen
- Teilstationäre Tages- und Nachtpflege
- Entlastungsbetrag
- Kurzzeitpflege
- Verhinderungspflege
- Pflegehilfsmittel
- Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen
- Digitale Pflegeanwendungen
- Vollstationäre Pflege im Heim
- Wohngruppenzuschlag
Eine Übersicht über die Leistungsansprüche der einzelnen Pflegegrade stellt das Bundesministerium für Gesundheit stets aktuell zur Verfügung.
Informationen zu Pflegediensten in der Nähe des Wohnorts können meist bei den Kranken- bzw. Pflegekassen eingeholt werden. Nach Auswahl eines geeigneten Pflegedienstes berät dieser zu allen beim jeweiligen Pflegegrad zur Verfügung stehenden Leistungsangeboten.
Die Einstufung in einen Pflegegrad und die Bewilligung der damit verbundenen Leistungen können zeitlich begrenzt sein. Der Bewilligungszeitraum darf jedoch maximal 3 Jahre betragen. Rechtzeitig vor Ablauf der Befristung wird die Pflegekasse die Situation des Pflegebedürftigen neu begutachten. Wenn die Pflegebedürftigkeit weiterhin besteht, kann entweder eine Verlängerung der Befristung oder eine unbefristete Genehmigung erfolgen. Ebenso besteht die Möglichkeit, dass der Pflegegrad angepasst wird, sei es durch Erhöhung oder Herabsetzung. Wird hingegen keine Pflegebedürftigkeit mehr festgestellt, entfällt der Pflegegrad.
Zusätzlich bedarf es während des bewilligten Zeitraums regelmäßiger Beratungstermine, die durch qualifiziertes Fachpersonal durchgeführt werden, bspw. durch den gewählten Pflegedienst. Im Sozialgesetzbuch XI ist festgelegt, dass bei den Pflegegraden 2 und 3 halbjährlich, bei den Pflegegraden 4 und 5 vierteljährlich einmal eine Beratung durchgeführt werden muss. Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 haben ebenfalls Anspruch auf eine halbjährliche Beratung, sollte dies gewünscht sein.
Quellen:
https://www.medizinischerdienst.de/versicherte/pflegebegutachtung