Rückblick zum Online-Treffen der jungen Myasthenie-Betroffenen am 01. Dezember 2023 – „Interkostalmuskelbiopsie bei Myasthenia gravis“
„Interkostalmuskelbiopsie bei Myasthenia gravis“ war das Thema des Winter-Treffens der jungen Myasthenie-Betroffenen, das am 01. Dezember 2023 online stattfand. Neben den jungen Betroffenen waren dieses Mal auch einige regionale Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen dabei.
Den spannenden Vortrag zum Thema Interkostalmuskelbiopsie teilten sich der Neurologe Herr Prof. Dr. Tobias Ruck aus dem integrierten Myasthenie Zentrum (iMZ) der Uniklinik Düsseldorf und seine Kollegin Frau Dr. Anja Maria Schauer aus der Thoraxchirurgie.
Im ersten Teil des Vortrags berichtete Herr Ruck aus neurologischer Sicht über die Indikation und den Nutzen von Interkostalmuskelbiopsien bei Myasthenia gravis.
Die Interkostalmuskelbiopsie sei eine noch relativ neue Methode zur Diagnosesicherung der Myasthenie, die in Einzelfällen bei seronegativen Myasthenie-Betroffenen zur Anwendung komme. Das Verfahren sei jedoch noch nicht fest etabliert.
„Interkostal“ bedeutet zwischen den Rippen. Bei einer Interkostalmuskelbiopsie wird im Rahmen einer Operation ein Stück der Muskulatur zwischen den Rippen für Untersuchungszwecke entfernt. Im Labor wird dann nach sogenannten Komplementablagerungen und nach Antikörpern an den motorischen Endplatten gesucht, die bei Patientinnen und Patienten mit einer klassischen Acetylcholin-Rezeptor-Antikörper positiven Myasthenie nachweisbar sind, bei gesunden Menschen jedoch nicht. Bei einem Teil der seronegativen Patienten lassen sich diese Auffälligkeiten im Rahmen der Interkostalmuskelbiopsie nachweisen und somit die Diagnose sichern.
Die Probenentnahme findet an den Interkostalmuskeln statt, da die Dichte an Synapsen dort besonders hoch und die Chancen auf den Nachweis von Komplementablagerungen oder Antikörpern in der entnommenen Probe somit besonders hoch sind.
Auto-Antikörper spielten eine immer größere Rolle bei der Therapieauswahl, insbesondere in Bezug auf die modernen Medikamente, so Ruck. Für seronegative Myasthenie-Patientinnen und Patienten sei die Therapieverfügbarkeit derzeit vergleichsweise gering. Die Interkostalmuskelbiopsie biete für diese Betroffenen die Möglichkeit die Diagnose zu sichern. Dies räume nicht nur Unsicherheiten aus, sondern erleichtere auch die Argumentation gegenüber der Krankenkasse für die Beantragung der Kostenübernahme für eine Off-Label-Therapie mit modernen Medikamenten.
Leider sei das Ansprechen auf ein neues Medikament auch bei einem positiven Befund in der Interkostalmuskelbiopsie nicht gesichert. Es werde aber im Moment daran geforscht, dass in Zukunft mit Hilfe spezieller Bluttests messbar wird, auf welche Medikamente ein Patient oder eine Patientin anspräche.
Im zweiten Teil des Vortrags erklärte Frau Dr. Schauer sehr anschaulich, wie eine Interkostalmuskelbiopsie abläuft und welche Besonderheiten bei Myasthenie-Betroffenen zu beachten sind.
Eine Interkostalmuskelbiopsie sei ein größerer Eingriff als der Begriff Biopsie impliziere. Für die Entnahme der Probe sei eine Operation mit Narkose bzw. Sedierung mit entsprechender Schmerzmedikation notwendig. Für die Operation werde der Patient auf dem Rücken gelagert. Bei Operationsbeginn müsse der Chirurg bzw. die Chirurgin zunächst den Brustmuskel entlang der Muskelfasern aufdehnen, um die Interkostalmuskulatur freizulegen. Dann erst könne das ca. 1cm x 1cm große Stück des Interkostalmuskels entnommen werden. Da die OP unter Sicht stattfinde, sei das Blutungsrisiko relativ gering und die Probenentnahme finde ohne Blutstillung statt, um die Gewebeprobe so unverändert wie möglich in das Labor schicken zu können. Wie jede Operation sei auch dieser Eingriff mit Risiken verbunden. Daher müsse für jeden Patienten und jede Patientin individuell mit dem behandelnden Neurologen entschieden werden, ob die Interkostalmuskelbiopsie wirklich notwendig sei. Wegen des Stresses durch die Operation sei das Risiko für eine Verschlechterung der Myasthenie oder sogar einer myasthenen Krise erhöht. Um dieses Risiko zu reduzieren, müsse vor der Operation der bestmögliche Zustand der Myasthenie erreicht werden. Bei instabilen Patientinnen und Patienten könne daher im Sinne der Behandlung einer Verschlechterung oder Krise vor dem Eingriff beispielsweise die Gabe intravenöser Immunglobuline oder eine Plasmapherese sinnvoll sein. Für die Operation sei insbesondere wegen des Risikos einer Verschlechterung der Myasthenie ein kurzer stationärer Aufenthalt notwendig. Um Stress zu reduzieren, sei zudem eine gute Vorbereitung des Patienten wichtig.
Auch im Rahmen einer Thymektomie könne eine Interkostalmuskelbiopsie durchgeführt werden. Dies erspare dem Betroffenen eine zusätzliche Narkose und eine weitere Narbe.
Im Anschluss an den informativen Vortrag gab es eine kurze Fragerunde, in der sich Frau Dr. Schauer und Herr Prof. Ruck gut abwechselten und gegenseitig um die Expertise aus ihrem Fachgebiet ergänzten.
Die anschließende Austauschrunde der jungen Myasthenie-Betroffenen fand in gemütlicher Runde statt. Es ging unter anderem um Erfahrungen mit Ravulizumab, Erfahrungen mit Ärzten im Großraum München, die Umfrage zu „Blasenstörungen bei myasthenen Syndromen“ (https://dmg.online/2023/10/26/urologie-und-myasthenie/), Hilfsmittel, Rollstühle und Statin-Therapie bei Patienten mit Myasthenia gravis (https://dmg.online/2023/11/09/statin-therapie-bei-patienten-mit-myasthenia-gravis/).
Ein ganz herzlicher Dank gilt an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Ruck und Frau Dr. Schauer für den anschaulichen Vortrag.
Das nächste Online-Treffen der jungen Myasthenie-Betroffenen findet am Freitag, den 01. März 2024 um 18 Uhr statt. Wir freuen uns, wenn wir euch dort begrüßen dürfen.