Fragen und Antworten rund um die Myasthenia gravis
FAQ ist Englisch und steht für „Frequently Asked Questions“ – also häufig gestellte Fragen – die hier gesammelt und beantwortet werden.
Die DMG als Anlaufstelle für jegliche Art von Fragen, die Betroffene mit myasthenen Syndromen beschäftigen, deren Fragen sich aber in regelmäßigen Abständen wiederholen, stellt Ihnen hier kurze Auskünfte zur Verfügung. In erster Linie möchten wir Ihnen durch diese Liste mit grundlegenden Fragen und Antworten wichtige Informationen bereitstellen, sodass Sie bei einer Vielzahl verschiedener Anliegen direkt Antworten erhalten können, falls Sie gerade niemanden kontaktieren können oder möchten. Dabei werden weder von der DMG selbst noch vom Ärztlichen Beirat konkrete medizinische Empfehlungen zu Einzelfällen gegeben. Der Schwerpunkt liegt auf einer Verallgemeinerung spezieller Fragen bzw. deren Beantwortung und in einzelnen Fällen wird zu Stellungnahmen des Ärztlichen Beirats oder auf Inhalte der DMG-Homepage verlinkt.
Wir möchten Ihnen mit dieser FAQ-Seite helfen, Antworten auf Ihre Fragen zu finden und damit das Leben mit myasthenen Syndromen etwas leichter zu machen.
Allgemein und Diagnose
Was ist Myasthenia gravis?
Eine Myasthenia gravis ist eine Erkrankung, bei der es zu einer übermäßigen Muskelermüdbarkeit kommt. Bei den meisten Patienten liegt eine Entzündung an der neuromuskulären Synapse (Übertragungsstelle von Nerv auf Muskel) vor, bei der der Körper im Rahmen eines Autoimmunprozesses Antikörper gegen Eiweiße an dieser Stelle des Muskels bildet. Bei manchen Patienten ist die Erkrankung genetisch bedingt, wobei die meisten genetischen Erkrankungen im Kindesalter beginnen, vereinzelt gibt es aber auch genetische Formen, die im (jungen) Erwachsenenalter beginnen.
Was sind Thymome?
Thymome sind meist gutartige, selten bösartige Geschwulste (Tumore) der Thymusdrüse. Etwa 20 % der Patienten mit Myasthenia gravis haben ein Thymom.
Welche Antikörper gibt es bei Myasthenia gravis und was sagt der Antikörpertiter / Antikörperspiegel im Blut?
Etwa 85 % aller Patienten mit einer (autoimmunen) Myasthenia gravis, haben Antikörper gegen den Acetylcholinrezeptor, daneben gibt es etwa 5 – 7 % Patienten mit Antikörpern gegen die muskelspezifische Kinase MUSK sowie 1 – 2 % Patienten mit Antikörpern gegen ein anderes Eiweiß an der neuromuskulären Synapse, das LRP4. Daneben gibt es Patienten, die zusätzlich Antikörper gegen das Muskeleiweiß Titin haben, selten finden sich auch Patienten, bei denen nur Titin-Antikörper nachweisbar sind.
Die Antikörper können mit verschiedenen Tests im Blut bestimmt werden. Die Höhe des Antikörpertiters (Blutspiegel) korreliert nicht mit der Schwere der Erkrankung, was bedeutet, dass auch leicht betroffene Patienten hohe Antikörperspiegel haben können und umgekehrt.
Was bedeutet „seronegative“ Myasthenia gravis?
Bei Patienten mit einer sogenannten „seronegativen“ Myasthenia gravis waren die Antikörpertests für Acetylcholinrezeptor-, MUSK-, LRP4- und Titin-Antikörper negativ. Dies bedeutet nicht, dass der Patient keine Antikörper hat, sondern lediglich, dass man sie mit den bisherigen Testsystemen/Methoden nicht nachweisen kann.
Was ist ein Eisbeuteltest?
Ein Eisbeuteltest kann vom Arzt als diagnostischer Test angewendet werden, wenn ein Patient ein herabhängendes Augenlid, eine sogenannte Ptose, hat. Wenn man dieses Augenlid für 2 – 3 min mit einem Eisbeutel/Kühlpack o. ä. kühlt, dann bessert sich die Ptose, wenn sie durch eine Myasthenia gravis bedingt ist. Bei anderen Ursachen einer Ptose verändert sich das hängende Lid in der Regel nicht. Trotzdem beweist der Test allein keine Myasthenia gravis, sondern ist ein Baustein in der Diagnose.
Kann Myasthenia gravis vererbt werden?
Die autoimmune Myasthenia gravis wird nicht direkt weitervererbt. Allerdings kann man in Familien mit einer Autoimmunerkrankung gehäuft andere Autoimmunerkrankungen beobachten, so dass das erhöhte Risiko, eine Autoimmunerkrankung zu bekommen, vererbt wird.
Etwas anderes sind die sogenannten kongenitalen myasthenen Syndrome. Diese, meist bei Kindern auftretenden Erkrankungen, sind durch Mutationen (vererbbare Veränderungen) von Eiweißen an der neuromuskulären Endplatte (Stelle der Erregungsübertragung von einer Nervenzelle auf eine Muskelzelle) bedingt und können mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit weitervererbt werden.
Alltag und Soziales
Welche Verbände bieten eine Sozialberatung an?
Hier gibt es mehrere Verbände: der VdK berät Mitglieder zu individuellen sozialrechtlichen Anliegen. Bei Bedarf hilft der VdK bei Widersprüchen und unterstützt bei gerichtlichen Klageverfahren.
Beim Sozialverband Deutschland e. V. erhalten Mitglieder Beratung und Vertretung in sozialrechtlichen Fragen und Rechten, bei Antragstellungen sowie vor den Sozialverwaltungen und vor den Sozialgerichten.
Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland gGmbH berät als gemeinnützige Einrichtung in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen.
Für Anliegen zur Schwerbehinderung existiert die Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung EUTB
und zum Thema Rehabilitation findet man Informationen und Beratung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund oder beim BDH Bundesverband Rehabilitation e.V. .
Kann man mit einer Myasthenia gravis Sport treiben?
Prinzipiell kann man nicht nur mit einer Myasthenia gravis Sport treiben, man sollte es auch (im Rahmen der Möglichkeiten durch die Erkrankung). Allerdings muss man als Patient mit einer Myasthenia gravis darauf achten, dass man nicht „in die Ermüdung hineintrainiert“, sondern bereits vorher kurze Pausen einlegt. Beispiele, wie man ein Training gestalten kann, finden Sie in unserer Bewegungs-App.
Gibt es eine spezielle Ernährung für Myasthenia gravis?
Nein, es gelten die allgemeinen Ernährungsregeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
Gibt es spezielle Ernährungstipps für Patienten mit Schluckstörungen?
Es gibt eine Reihe von Kochbüchern mit speziellen Rezepten für Patienten mit Schluckstörungen/Dysphagie. Informationen finden Sie auch in der Broschüre „Tipps und Tricks“ der DMG.
Kann man mit einer Myasthenia gravis schwanger werden?
Prinzipiell ist eine Schwangerschaft auch bei einer Myasthenia gravis möglich. Hier sollte bereits bei bestehendem Kinderwunsch durch den behandelnden Neurologen die Behandlung der Myasthenia gravis (Medikamente) überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Viele Immuntherapien können auch während einer Schwangerschaft weiter eingenommen werden, dies muss jedoch vorab durch den behandelnden Arzt überprüft werden.
Impfungen
Soll eine regelmäßige Auffrischung der Covid-19 Impfung erfolgen?
Der Ärztliche Beirat der DMG empfiehlt eine jährliche Auffrischimpfung für Menschen mit einer generalisierten Myasthenia gravis (oder einem anderen myasthenen Syndrom). Auch Patienten mit einer rein okulären (die Augen betreffende) Symptomatik sollten regelmäßig geimpft werden, wenn eine immunsuppressive Therapie besteht. Näheres kann der Impfempfehlung des Ärztlichen Beirats entnommen werden.
Dürfen Patienten mit einer Immunsuppression jede Impfung erhalten?
Nein. Immunsupprimierte Patienten dürfen nur mit Totimpfstoffen (enthalten nur Eiweiße des Erregers oder abgetötete Erreger oder mRNA Impfstoffe) geimpft werden. Von einer Impfung mit Lebendimpfstoffen (z. B. Masern-, Mumps-Röteln-Impfstoffe) wird bei Immunsupprimierten abgeraten.
Muss ich vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie Impfungen auffrischen oder zusätzlich durchführen?
Hier wird Ihr behandelnder Arzt mit Ihnen zusammen Ihren Impfstatus überprüfen und anhand der Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts entscheiden, welche Auffrischungen bzw. Impfungen empfohlen werden. Dies kann im Einzelfall abhängig von der geplanten Immuntherapie, dem Alter des Patienten und anderen Faktoren unterschiedlich sein.
Therapie
Was sind Immunsuppressiva?
Immunsuppressiva sind Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken. Sie werden unter anderem bei Autoimmunerkrankungen wie der Myasthenia gravis oder dem Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom (LEMS) eingesetzt, um die überschießende Immunantwort zu unterdrücken. Informationen finden Sie auch in der Broschüre „Immunsuppressiva bei Myasthenia gravis“ der DMG.
Wie wirkt Pyridostigmin bei der Myasthenia gravis?
Pyridostigmin hemmt das Enzym Cholinesterase. Cholinesterase ist zuständig für den Abbau des Botenstoffes Acetylcholin. Acetylcholin ist für die Übertragung von Nervenimpulsen wichtig, da es die Muskelkontraktion leitet. Durch die Hemmung von Cholinesterase wird an der neuromuskulären Übertragungsstelle das ausgeschüttete Acetylcholin langsamer abgebaut. Es kann mehr Acetylcholin an seinen Rezeptor an der Muskelzelle binden, wodurch der Muskel mehr und vor allem länger Kraft entwickeln kann.
Rezeptoren sind Bestandteile in den Zellen des Körpers, die bestimmte Signale oder Reize empfangen können.
Was bedeutet es, wenn ein Medikament „Off-Label“ ist?
Therapien (Medikamente) für eine bestimmte Krankheit, die in Deutschland nicht zugelassen sind, werden als „Off-Label“ bezeichnet. Der Gesetzgeber und die Sozialgerichte haben für den Einsatz von Off-Label Therapien strenge Vorgaben gemacht. Diese Therapien mit zulassungsüberschreitendem Einsatz eines Arzneimittels dürfen nur eingesetzt werden, wenn eine lebensbedrohliche oder zu schwerer Behinderung führende Erkrankung vorliegt, keine andere zugelassene Therapie zur Verfügung steht und es wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, die eine positive Wirkung des Medikaments bei einer bestimmten Erkrankung erwarten lässt.
Was kann man gegen häufigen Stuhlgang oder Durchfälle unter Pyridostigmin tun?
Zunächst das Wichtigste: nicht selbstständig die Dosierung ändern. Veränderungen Ihrer Medikamente sollten Sie prinzipiell zuerst mit Ihrem Arzt besprechen. Treten Durchfälle unter Pyridostigmin auf, gibt es mehrere Möglichkeiten, wie Sie mit Ihrem Arzt zusammen eine Lösung finden können. Wenn eine Dosisreduktion nicht möglich ist, kann es hilfreich sein, das Pyridostigmin häufiger am Tag einzunehmen und die Einzeldosis dabei zu reduzieren. Auch eine Umstellung auf Retard-Präparate hat bei manchen Patienten die Nebenwirkungen verbessert. In Ausnahmefällen kann auf das Präparat Ambenoniumchlorid (Mytelase®) umgestellt werden. Da dieses Präparat in Deutschland für die Behandlung der Myasthenia gravis nicht zugelassen ist, handelt es sich um eine sogenannte Off-Label Anwendung. Hier muss zuerst eine Genehmigung der Krankenkasse eingeholt werden, bevor das Medikament verordnet werden kann.
Wie häufig sind bei Immunsuppressiva Laborkontrollen notwendig?
Dies ist abhängig vom verabreichten Medikament und kann sich unterscheiden. Ihr Arzt wird Ihnen erläutern, in welchen Abständen Sie bei einer Therapie mit Immunsuppressiva welche Laborwerte kontrollieren lassen müssen.
Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom (LEMS)
Was ist der Unterschied zwischen Myasthenia und LEMS?
Beide Erkrankungen gehen mit einer übermäßigen Muskelermüdbarkeit einher. Beim LEMS treten zusätzlich Störungen des vegetativen Nervensystems auf. (Während 20 % der Myasthenien mit einem Thymom einhergehen, ist das LEMS in etwa 40 – 50 % mit einem Lungentumor assoziiert.
Das vegetative oder autonome Nervensystem regelt die Abläufe im Körper, die man nicht mit dem Willen steuern kann.
Welche Antikörper gibt es beim LEMS?
Bei etwa 90 – 95 % der LEMS-Patienten finden sich Antikörper gegen einen Calciumkanal, ein Eiweiß, das an der Nervenendigung der neuromuskulären Übertragungsstelle sitzt (Anti-P/Q-Typ Calciumkanal-Antikörper)
Kann man mit einem LEMS Sport treiben?
Prinzipiell kann man nicht nur mit einem LEMS Sport treiben, man sollte es auch (im Rahmen der Möglichkeiten durch die Erkrankung). Allerdings muss man als „LEMS-Patient“ darauf achten, dass man nicht „in die Ermüdung hineintrainiert“, sondern bereits vorher kurze Pausen einlegt. Beispiele, wie man ein solches Training gestalten kann, finden sich in unserer Bewegungs-App.
Dieses Projekt konnten wir umsetzen mit der freundlichen Unterstützung der Techniker Krankenkasse.