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Deutsche Myasthenie Gesellschaft e.V.

CAR-T-Zell-Therapie bei Myasthenie

Chimäre (Auto-) Antigen Rezeptor CAR-T-Zellen sind Immunzellen, genauer T-Lymphozyten, die dem Patienten entnommen und außerhalb des Körpers („im Reagenzglas“) durch einen gentechnischen Eingriff spezifisch gegen bestimmte körpereigene Strukturen aktiviert werden. Nach Rückgabe durch Infusion können diese CAR-T-Zellen die Zielstrukturen im Körper angreifen und darüber gezielt Zellen möglichst dauerhaft zerstören. Dieser Therapieansatz hat zunächst Anwendung in der Krebstherapie gefunden, wo erstaunliche Erfolge in zuvor „hoffnungslosen“ Situationen bei Lymphdrüsenkrebs (Lymphomen, Leukämie) erzielt werden konnten. Auf der anderen Seite kommt es nicht selten zu schwersten Nebenwirkungen bis hin zum Tod, u. a. durch ausgeprägte Entzündungsreaktionen, die durch Freisetzung von Entzündungs-Botenstoffen im Rahmen der gewollten Zerstörung der Tumorzellen auftreten. Dies macht Zusatztherapien notwendig, die ihrerseits wieder Nebenwirkungen erzeugen oder den Erfolg der CAR-T-Zell-Therapie schmälern. In den letzten Jahren wird auch zunehmend versucht, die CAR-T-Zell-Therapie auch bei anderen Krebsformen und Autoimmunerkrankungen einzusetzen – mit einigen Erfolgen, aber auch Misserfolgen.

Im dem renommierten wissenschaftlichen Journal Lancet Neurology wurde in einer sogenannten Phase I/IIa-Studie1 die prinzipielle Verträglichkeit und die optimale Dosis eines besonderen CAR-T-Zellkonstrukts bei 14 Myasthenie-Patienten untersucht. Das für Autoimmunerkrankungen entwickelte neuartige RNA-basierte CAR-T Zellkonstrukt ist gegen B-Lymphozyten gerichtet, von denen ein kleine Subgruppe auch die für die Myasthenie relevanten Autoantikörper produzieren. Der Therapieansatz war besser verträglich als das für Tumorerkrankungen entwickelte DNA-basierte Standardverfahren. Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass auf die im Standardverfahren notwendige weitgehende Zerstörung der Lymphozyten verzichtet werden konnte, was Voraussetzung für die Wirksamkeit der herkömmlichen CAR-T-Zell-Therapie ist.2 Bei den meisten Patienten kam es zu einer langanhaltenden Verbesserung, wie wir diese auch von anderen B-Lymphozyten-basierten Therapien kennen, z. B. für Rituximab oder das in individuellen Heilversuchen eingesetzte Bortezomib und Daratumumab.

Das DNA-basierte Standardverfahren der CAR-T-Zellen wurde in einem individuellen Heilversuch bei einer Patientin in Magdeburg eingesetzt.3 Bei dieser Patientin lag ein sehr schwerer Krankheitsverlauf vor und die meisten Therapieverfahren, die heute bei der Myasthenie Einsatz finden, waren gar nicht oder nicht ausreichend wirksam. Bei dieser Patientin kam es unter der CAR-T-Zell-Therapie zu einer bis heute anhaltenden stabilen Remission der myasthenen Beschwerden. Inwieweit diese dauerhaft ist, muss derzeit offen bleiben. So wurden ähnliche Erfolge mit der autologen Stammzelltherapie ebenfalls im Rahmen von Heilversuchen berichtet.4 Hier kam es aber vereinzelt auch noch nach vielen Jahren zum erneuten Ausbruch der Erkrankung.

Zusammenfassend handelt es bei den CAR-T Zell-Therapien vom Wirkprinzip her um einen hochspannenden, innovativen Behandlungsansatz. Über Weiterentwicklungen bietet das Therapieprinzip große Chancen, in Zukunft Erkrankungen wie die Myasthenie sehr spezifisch zu behandeln, die prinzipiell auch eine Heilung ermöglichen würden. Die bislang verfügbaren wissenschaftlichen Daten zu Wirkungen und Nebenwirkungen sind jedoch noch weit davon entfernt, diese Verfahren in die Behandlungsroutine für unsere Myasthenie-Patienten zu überführen. Entscheidend für jede Behandlung ist immer die individuelle Abwägung von Nutzen und Risiko der möglichen Behandlungen. Ein Zusatznutzen oder eine Überlegenheit der CAR-T-Zell-Therapien, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Nebenwirkungen gegenüber den bereits verfügbaren Myasthenie-Therapien, kann derzeit nicht beurteilt werden.

Was bedeutet das für Patientinnen und Patienten? Bei sehr schweren Verläufen der Myasthenie, die auf die derzeitigen Leitlinientherapien nicht ausreichend ansprechen, kann neben anderen erfolgversprechenden Behandlungsansätzen auch die CAR-T-Zell-Therapie infrage kommen. Dies sollte aber nur im Rahmen kontrollierter Studien mit CAR-T-Zellen erfolgen, die im vergleichenden Einsatz auch die gegenwärtigen zum Einsatz kommenden modernen Therapieverfahren (z. B. Inhibitoren des neonatalen Fc-Rezeptors, des C5-Komplementfaktors). In schwersten Verläufen mit häufigen myasthenen Krisen kann der Einsatz von CAR-T-Zellen auch im Rahmen eines individuellen Heilversuches gerechtfertigt sein.

Hier muss allerdings im Rahmen der Risiko-Nutzen-Abwägung in jedem Einzelfall entschieden werden, ob nicht auch andere Ansätze sinnvoller sind. Diese Beratungen können Sie an unseren Myasthenie-Zentren erhalten.  

Autoren: Prof. Dr. Andreas Meisel (Berlin) und Prof. Dr. Michael Schroeter (Köln) für den Ärztlichen Beirat der Deutschen Myasthenie Gesellschaft)

  • Granit V et al. Safety and clinical activity of autologous RNA chimeric antigen receptor T-cell therapy in myasthenia gravis (MG-001): a prospective, multicentre, open-label, non-randomised phase 1b/2a study (2023). Lancet Neurol 22: 578-590.
  • Meisel A (2023). Are CAR T cells the answer to myasthenia gravis therapy? Lancet Neurol 22:545-546.
  • Haghikia A, Hegelmaier T, Wolleschak D, Böttcher M, Desel C, Borie D, Motte J, Schett G, Schroers R, Gold R, Mougiakakos D (2023). Anti-CD19 CAR T cells for refractory myasthenia gravis. Lancet Neurol 22:1104-1105.
  • Bryant A, Atkins H, Pringle CE, Allan D, Anstee G, Bence-Bruckler I, Hamelin L, Hodgins M, Hopkins H, Huebsch L, McDiarmid S, Sabloff M, Sheppard D, Tay J, Bredeson C (2016). Myasthenia Gravis Treated With Autologous Hematopoietic Stem Cell Transplantation. JAMA Neurol. 73:652-8.